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Klaus von Dohnanyi

Nationale Interessen

Verlag Siedler, 2022


Schon der Buchtitel lässt keine Zweifel aufkommen: hier meldet sich ein Exponent deutsch-nationaler Politik im Ruhestand zu Wort. Als Untertan der wuchtigen deutschen Staatsmacht ist man eher negativ von der betroffen. Dass der Dohnanyi-Schinken zum Zeitpunkt der Ausarbeitung dieser Rezension sich auf Platz 6 der Spiegel-Bestellerliste tummelte, lässt allerdings nichts Gutes erahnen, wie nämlich diejenigen, die für deutsch-europäische Staatsmächtigkeit nach Strich und Faden benutzt werden, sich gleichwohl auf die Ebene der hohen Politik begeben und dem eigentlich herrschaftlichen Bedürfnis, wie sich Deutschland national und international schlägt, offenbar viel abgewinnen können, nämlich von denen eingenommenen patriotischen Sorgestandpunkt um die Stellung Deutschlands vor allem europa- und weltweit aus– den der Polit-Profi D. kräftig bedient.

„Für unser Land“ stünde „Sicherheit im Vordergrund“ – und so selbstverständlich wie nichts, setzt sich der einstige Polit-Macher sogleich ins Verhältnis zu dem ganzen staatlichen Umfeld seiner Nation. Verharmlosend kommt es allerdings daher, bei dem ginge es darum, andere nationale Interessen „zu verstehen“: dem Orientierer für deutsche und europäische Politik“ dürfte geläufig sein, wie das globale Interessengeflecht von Nationen nichts als Kollisionen wegen der gegensätzlichen Benutzungsinteressen aneinander beinhalten. Wie man da als hiesiger Staat besteht und sich durchsetzt gegen Seinesgleichen ist da der harte Kern des internationalen Politikbetriebs – sodass nicht von ungefähr als einer der zentralen Gesichtspunkte der Bewährung darin von D. die „äußere Sicherheit“, sprich: militärische Sicherheit, ins Spiel gebracht wird. Zu der analytischen Scharfsinnigkeit versteigt sich der Angehörige der Politikerklasse so nicht: immerzu wegen der laufenden Anrichtung von Schaden bei anderen Nationen im Zuge von deren Zurichtung für deutschen nationalen und nationalökonomischen Gewinn auf den Ernstfall der Behauptung auf militärischem Wege gegen den Schädiger in Sachen elementarer nationaler Belange gewappnet sein.

Der D. weiß um die deutsche Durchsetzungsmacht ganz anderen Kalibers im Rahmen des europäischen Bündnisses EU: hier bemerkt der manche Eigensinnigkeiten mancher Mitgliedstaaten; woher die rühren, vielleicht daher, dass derem nationalen Vorankommen durch konkurrenztüchtigere andere Mitglieder ein Strich durch die Rechnung gemacht wird, interessiert mitnichten; K. v. D. wittert da als erstes „Gefährdung des europäischen Zusammenhalts“; den braucht es als Wiederherstellung von „Geschlossenheit“. Und weshalb wohl? Wer fehlende Souveränität Europas geißelt, der bemängelt, am Gängelband der übermächtigen USA zu hängen – also stehe die Emanzipation von globalen Vorgaben der USA an: am Beispiel Chinas macht D. deutlich, dass die amerikanische Feindschaftsansage gegen einen aufstrebenden weltpolitischen Konkurrenten Deutschland/EU nicht so recht zupass kommt; nämlich in einem befürchteten „Krieg um Asien“ als Europa in von den Amis geforderter unterwürfiger Linientreue dafür verheizt zu werden. Wenn dann auch noch China und die andere östliche Großmacht Russland sich zu Alliierten zusammenfinden, die beide auf der amerikanischen Abschussliste stehen, weil die nach Ami-Geschmack viel zu mächtig nach eigenen Rechnungen ihren Erfolg in der im wesentlichen US-bestimmten Weltordnung gegen die Supermacht suchen, liegt für D. glasklar auf der Hand, dass Europa nicht länger oder jedenfalls nicht ohne Weiteres den globalen Kampfansagen der Amis aufsitzen dürfe, wenn dabei deutsch-europäisches Interesse auf dem Spiel steht. Also ist die einzig senkrechte genuin imperialistische Konsequenz: mehr europäische Bestimmungsmacht aus den Hauptstädten der Union tue not, um selber abseits der US-beanspruchten Richtlinienkompetenz und gegen dieselbe eigene Akzente im globalen „Wettstreit“ der Nationen zu setzen.

Die Befürchtung, dass den Europäern im Schlepptau der USA ihr weltpolitisches Gewicht verleidet würde, hat sich im Handumdrehen erledigt, seit die Russen die „europäische Sicherheitsarchitektur“, sprich die Unterordnung Russlands unter EU-definierte Ordnungsgrundsätze, mit ihrem Einfall in die Ukraine durchkreuzt haben. An vorderster Front machen sie den Scharfmacher, die Eröffnung regelrecht kriegstreibender Offensiven gegen den unverfänglich als Feind des „Friedensprojekts Europa“ einsortierten Russland – was sich nun „Zeitenwende“ schimpft, nämlich das endgültige Aus diplomatischer Eingemeindungspolitik, der Funktionalisierung Russlands für die weltmächtigen Interessen Westeuropas incl. der eingemeindeten Oststaaten – denn der russische Revisor dessen, was EU, USA und Nato als freiwillige russische Kapitulation per militärischer Einschnürung des Putin-Reichs vorhatten, verstehe nur noch die direkte Konfrontation per Wirtschaftskrieg und Mobilisierung für den heißen Krieg. – Was soll da also die Warnung des D., dass die Zuordnung der Ukraine zum Nato-Regime „gefährlich“ sein könne: in Kenntnis dessen, dass Moskau im Falle eines wichtigen strategischen Vorfelds kein Parton kenne und sein so definiertes „Sicherheitsinteresse“ als „rote Linie“ zeichnet, deren Überschreitung den Übergang zum Waffengang bedeutet, haben Westler unablässig drauf bestanden, dass in Sachen militärischer Einkreisung kein Deut zurückgenommen, diese forciert gehöre. Irgendwelche diplomatische Rücksichtnahmen auf russische Sicherheitsbelange im Rahmen der europäischen Spezialität einer „strategischen Partnerschaft“ mit Moskau sind definitiv Schnee von gestern – dem nachzutrauern schon deswegen Ausweis von einer Portion Heuchelei ist, weil die seinerzeit anvisierte Partnerschaft auf nichts anderes aus war, als Russland ziemlich einseitig zur Dienerschaft an europäischen Machtinteressen einzuspannen (durchaus auch im Hinblick auf die Emanzipation von der globalen Übermacht der Amis, allerdings jetzt der enge Schulterschluss mit denen gefragt ist, wo es um die Erledigung einer atomwaffenbestückten Großmacht geht; hinterher mag das Gerangele um die weltpolitische Führerschaft wiederum seinen Gang gehen).