Neubeginn - Aufbegehren gegen Krise und Krieg
VSA-Verlag, 2022
- "...Die Aufgabe, damals
(1989/90) eine gesamteuropäische Sicherheitsstruktur
aufzubauen,... wurde weitgehend durch die Erweiterung der
westlichen Strukturen der Nato ersetzt. Imperiale Kriege
des Westens zur Durchsetzung einer von den USA
beherrschten Weltordnung bestimmten die Tagesordnung...
...Putins Krieg hat keine reale Begründung...
...Die russische Führung unter Putin formulierte schließlich eine eigene imperiale Gegenagenda..."
(zitiert nach: Gruppe Neubeginn - A. Vollmer et
al. - Aufbegehren gegen Krise und Krieg)
Europäische Sicherheitsarchitektur ist für sich genommen eine diplomatische Leerformel. Darunter kann man alles, nämlich gemäß den jeweils maßgebenden europa-/weltpolitischen Interessen fassen. So dürfte nicht unbekannt sein, dass diese diplomatische Floskel im Falle der imperialistischen EU für deren Ordnungs-, insbesondere deren Unterordnungsansprüche Richtung Russland steht. Wenn dagegen Russland von ähnlichem Abstraktum wie Bau am "europäischen Haus" redet, dann subsumiert es darunter die Berücksichtigung und Geltung seiner politischen Belange durchaus auch in Absetzung, Gegensatz zum Vorherrschaftsverlangen der EU. Die Differenz dessen, wie Sicherheitsordnung wie als Übergeordnetes daherkommt und die Ausfüllung dessen mit dem jeweils bestimmten Interesse der jeweiligen Mächte, ist sodann die Falle, in die die Autoren tappen: die machen angesichts dessen, wie der Westen Sicherheitsarchitektur gemäß seiner Bestimmungsmacht für sich reklamiert, den absurden Gegensatz von europäischer Sicherheitsordnung und Erweiterung der Nato: als ob die nicht genau der Sicherung der Dominanz westlicher Interessen europa- und weltweit dient(e).
Statt
einfach festzuhalten, dass und wie konkurrierende
Geltungsansprüche von Gewaltmonopolisten aneinandergeraten,
zumindest angedeutet wird, das es dem Westen unter Führung der
USA um Weltherrschaft ginge, was jawohl einschließt sich nicht
vertragen zu wollen mit anderen Mächten und deren dazu quer
liegenden autonomen Interessenlage, die Ausdehnung der Nato
die so bezeichnete Gegenagenda Russland auf den Plan rief als
Abwehr gegen die mit ersterer einhergehenden Bedrohung seiner
Sicherheitskoordinaten, ist dies als diese objektive Klärung
eines Weltgegensatzes offenbar so gar nicht gemeint: es müsse
lt. Neubeginn ein extra Gesichtspunkt, nämlich der Verurteilung
der Russen statt Beurteilung her - der sich gut trifft mit der
kriegsmoralischen Einheitsfront des Westens, die den Russen
auf der Ebene das west-imperialistisch ergehende Verbot der
Betätigung ihrer eigenen Machtbelange bis hin zum
militärischen Einschreiten (was nämlich der Westen als sein
Privileg geltend macht) als "völkerrechtswidriges Vergehen" um
die Ohren haut. Dass dies der Maßstab sei, entlang dem die
Autoren auch westliche Kriegseinsätze verurteilt hätten, ist
ein Glatteis, auf dem sie sich bewegen: weil das Völkerrecht
ohnehin Rechtssprechung gemäß der jeweiligen Gewaltinstanz
ist, die es für sich und sein Agieren in Anschlag bringt und
kein übergeordnetes Recht von Weltgemeinschaft, eignet es sich
für einander widersprechende Auslegungen (was der Westen als
russischen Angriffskrieg für illegitim erklärt, ist aus
Sichtweise Russlands legitime Verteidigung gegen manifeste
Nato-Bedrohungen oder kriegslüsterne Ukraine zur Heimholung
ihrer abtrünnigen Ostgebiete). Der Widersinn fällt ihnen nicht
auf und bewegt sie nicht zur Abkehr von der völkerrechtlichen
Goutierung, wie sich die Autoren bei aller Betonung der
entschiedenen Ablehnung auch der Westkriege auf ein
gemeinsames Gleis mit den Mutterländern des Imperialismus
begeben, die seinerseits vehement auf dem Völkerrecht als
Rechtstitel gegen den russischen Krieg herumreiten.
Wenn dann
gegen das kriegerische Wüten über dem Globus nach Dafürhalten
der Neubeginner wieder den Grundsätzen Kooperation und
Entspannung zur Durchsetzung verholfen werden müsste, dann ist
kein Hauch von Gespür für die ungemütliche imperialistische
Logik des Weltengangs zu bemerken: dies Vorhaben kündet eher
von dem Unsinn, das Gegeneinander der Staaten mit seinen
dazugehörigen kriegerischen Konsequenzen sich als verständiges
Miteinander, eben sich als vertragende Gewaltkolosse
vorzustellen, die realiter sich so wenig grün sind, dass sie
immer mal wieder gegeneinander die Waffen sprechen lassen.
Noch
absurder wird es, wenn es heißt:
"...Hemmungslose
Aufrüstung, totaler Wirtschaftskrieg... werden...jede
Hoffnung auf... die... Frage der notwendigen ökologischen
Transformation und die Bekämpfung globaler Armut unmöglich
machen..." (ebd.)
Dies ist die
Widersinnigkeit, Aufrüstung und Kriegsvorbereitung als Verhinderung
der Bekämpfung von Armut und ökologischer Transformation
hinzustellen: als ob nicht Hunger und Elend und die Zerstörung
der materiellen Lebensumstände nicht gerade unter den
kapitalistisch verfassten Verhältnissen gedeihen,
genauer Mittel, Grundlage marktwirtschaftlicher
Reichtumserwirtschafteterei sind, aus der die staatlichen
Hüter dieser gemütlichen Wirtschaftsweise ihre Machtmittel
beziehen für ihre grenzüberschreitende Herumfuhrwerkerei, die
Konkurrenznationen sich zuzuordnen und unterzuordnen so, dass
die Staatengegensätze in einer Weise kulminieren, dass über
vorsorgliche Hochrüstung und Kriegsvorbereitung sich für den
Übergang zur militärischen Übergriffigkeit gewappnet wird: im
Ergebnis der Untergrabung nationaler Machtansprüche (siehe
Russland im Verhältnis zu der auf dessen Entmachtung lautenden
westlichen Agenda) oder der offensiven Gefügigmachung von dem
eigenen Vorherrschaftsprogramm gegenüber widerspenstig sich
gebärdenden Gewalthabern (siehe die nationalen
Eigenmächtigkeiten von Ländern wie Irak oder Libyen, die die
USA als unvereinbar mit der Dienstbarkeit an der amerikanisch
ausgerichteten Weltordnung kriegerisch angingen: das eine Land
wegen nicht US-genehmigter territorialer Ausdehnung über
Besetzung eines Landstrichs wie Kuwait, das andere wegen
eigensinniger, in Absetzung von der üblichen
US-Hörigkeit betriebener Kalkulationen als Ölstaat).