B u c h - R e z e n s i o n z u:
Joseph
Stiglitz
Der
Preis des Profits
Wir müssen den Kapitalismus vor sich selbst retten!
Verlag Siedler, 2020
„Der
Markt brachte die tiefe soziale Spaltung in den USA, die
Finanz- und die Klimakrise hervor, aber der Markt allein
wird keine dieser Krisen bewältigen...“
Der
Markt wird für das Dreifache: „soziale Spaltung“, „Finanz- und
Wirtschaftskrise“ verantwortlich gemacht. Im unmittelbaren
Widersinn dazu wird der Verursacher von letzteren zugleich für
untauglich für die Bewältigung von lauter Krisen befunden: es
widerspricht sich erst mal, etwas als Verursacher von Krisen
zugleich in der Eignung als Bewältiger derselben zu goutieren.
Im Grunde wird hier gar keine Kausalität behauptet, nämlich
warum und inwiefern der Markt die mittleren und größeren
Katastrophen hervorbringt, also keine
marktwirtschaftssystemimmanenten Notwendigkeiten hergeleitet
und wie diese nach kapitalistischen Grundsätzen bereinigt
werden. Das marktwirtschaftliche Prinzip wird gar nicht erst
einer sachlichen Klärung für sich zugeführt, sondern es wird
angegangen unter dem Gesichtspunkt unschöner
Begleiterscheinungen statt der Zuschreibung notwendiger
Konsequenzen desselben. Denn Markt und Staat passen offenbar
wie die Faust aufs Auge: wer ersterem einen „verbindlichen
Ordnungsrahmen“ verpassen will, für den kann im Grundsatz das
marktliche Hauen und Stechen um den Geldreichtum der Nation
weitergehen – für die Ausbremsung negativ konnotierter Effekte
des Marktwirtschaftlichen steht zweifelsfrei die Ordnungsmacht
parat, an die nicht ein Zweck den Wirtschaftsexperten
fundamentaler zweifeln lässt – weder am Markt noch an dessen
politischen Hüter. Es brauche beide: um „eine effiziente
und stabile, dynamisch wachsende Wirtschaft zu schaffen und
sicherzustellen, dass deren Erträge fair verteilt werden.“
Der Mann ist nicht einfach für Kapitalismus i.S. der sonst
üblichen volkswirtschaftlichen Gleichgewichtsideale, sondern
reimt sich den mit lauter wirtschaftsmoralischen Imperativen
zusammen, wofür gezielt geleugnet wird, wie Wachstum auf der
Massenarmut beruht. Wachstum als „leistungsloses Einkommen“
oder „Abschöpfung von Wohlstandsgewinnen“ ist dem Experten
zuwider. Dafür muss man allerdings einiges dessen verdrehen,
was die Sachgesetze für die Schaffung kapitalistischen
Wohlstands betrifft: wie kommt sonst einer darauf, dass der
(nationale!) Wohlstand auf der Produktivität und Kreativität
der Menschen gründe – die nichts als die Benutzungsmasse für
Kapitaleigentümer und deren Geldüberschüsse sind. Letzere bzw.
ihr Zustandekommen kommen bei S. vielmehr in der Lesart von
Verstößen gegen als ordentliche Beitragsleistung zu
Wohlstandsgewinnen Definiertes vor. Kapitalismus mit seinen
knallharten Gegensätzen wird zu einem Bild gesitteten und
fairen gemeinschaftlichen Wirtschaftens ausgestaltet und damit
pervertiert – und sämtliche Einrichtungen des bürgerlichen
Ausbeutungssystem samt Kommandogewalt des Staates kommen in
ihrer Verbiegung genau dafür vor:
„...Die
eigentliche Quelle des »Wohlstands einer Nation« liegt in
Ersterem, in der Kreativität und Produktivität der Menschen
dieser Nation und ihrem fruchtbaren Austausch miteinander.
Er basiert auf Fortschritten der Wissenschaften, die uns
lehren, wie wir die verborgenen Wahrheiten der Natur
ergründen und sie für technologische Innovationen nutzen
können. Außerdem beruht er darauf, dass wir durch
vernunftgeleiteten Diskurs bessere Formen der sozialen
Organisation entwickeln, was wiederum zu Prinzipien wie
jenen führt, die uns als »Rechtsstaatlichkeit,
Gewaltenteilung und ordnungsgemäße Verfahren« bekannt
sind...“
Es ist ein Fehler, den Markt in eine gut-heißende Seite („für
funktionierende Volkswirtschaft“) und schlechte Seiten („keine
fairen und effizienten Ergebnisse“) auseinander zu sortieren:
statt festzuhalten, warum und wie Umweltverschmutzung,
„Instabilität“ und Arbeitslosigkeit dem marktwirtschaftlichen
Treiben notwendig immanente Phänomene sind:
„Märkte erzeugen von sich aus keinen nachhaltigen Wohlstand
für alle. Märkte sind für jede gut funktionierende
Volkswirtschaft überaus wichtig, und dennoch produzieren sie
oft keine fairen und effizienten Ergebnisse, sondern zu viel
von gewissen Dingen (etwa Umweltverschmutzung) und zu wenig
von anderen (etwa Grundlagenforschung). Und wie die
Finanzkrise von 2008 zeigte, sind Märkte von sich aus auch
nicht stabil...“
Auch nachfolgend wieder ein Paradox Stiglitzer Denke: es wird
ein verträgliches Nebeneinander von „gesamtgesellschaftlichen
Nutzen“ und privaten Nutzen vorstellig gemacht und dann dem
Markt die Unfähigkeit abgesprochen, dem zu entsprechen, was
man idealisierend an ihm als dessen Aufgabe heranträgt – die
dieser eben gar nicht kennt.
„Wenn die sozialen Erträge einer wirtschaftlichen Tätigkeit
– ihr gesamtgesellschaftlicher Nutzen – und ihre privaten
Erträge – der Nutzen für eine Person oder ein Unternehmen –
weit auseinanderklaffen, können Märkte allein nicht für
Abhilfe sorgen...„
Fazit:
Der Slogan, den Kapitalismus vor sich selbst zu retten, nimmt
seinen Ausgangspunkt von einer einzigen Unwahrheit über
diesen, die Leistungen desselben als im Prinzip lauter gute
Werke zu übersetzen, wie Ressourcenverteilung und
Wohlstandsmehrung. Wie diese Verbiegung wirklicher
kapitalistischer Zwecke zugleich allerlei Verheerendes wie
Armut, Umweltdreck usw. zeitigt, wie dieser Widersinn von Güte
des Marktwirtschaftlichen einerseits und dessen Ausreißern
andererseits überhaupt nebeneinander zugleich Bestand haben
kann, ist nicht Sache dieses Wirtschaftsexperten: es ist der
schlichte Beschluss, dem Kapitalismus dessen Bestandsfähigkeit
– und –würdigkeit zu bescheinigen und sich dessen „Zähmung“
angesichts diesem angedichteter Verweise von „Versagen“
angelegen sein zu lassen. Im Grunde kaum zu unterscheiden von
gewöhnlicher Marktwirtschaftspolitik der Staaten, die erst den
Freiheiten des Kapitals unter dem Stichwort Liberalisierung
und Globalisierung kräftig Auftrieb geben und dann den
ideellen neben den praktischen (Mit-)Verwaltern der weltweiten
Geldheckerei als Gegenpol zum (Neo-)Liberalismus mit der
Klassifizierung als (Neo-)Keynesianismus zur Aufgabe machen,
als „Fehlentwicklungen“ von Markt und Freiheit verkehrt und
verharmlosend Gedeutetes zum Gegenstand „segenreichen
Eingriffs“ der Politik zu erklären: Kapitalismuskritik
letztlich als Dienst am Weltkapital, dem man bei dessen
Bereicherung an Land und Leuten ‚Reibungsverluste‘ eben zu
ersparen gedenkt.