Verlag Piper, 2021
„Unsere
Gesprächspartner ließen uns in diesem ersten Pandemiejahr
teilhaben an ihren Überlegungen, Abwägungen und Sorgen. Und
manchmal auch an ihren Zweifeln und Ängsten. Wir sichteten
Hunderte Dokumente, vertrauliche Vermerke, Protokolle aus den
Krisenstäben, persönliche Mitschriften und Notizen aus den
Krisenrunden.“
Wer
in dieser Weise sich der Ausbreitung einer Pandemie widmet, ist
weit weg von der Klärung dessen, für welche gesellschaftlichen
Verhältnisse welche „Schäden“ durch eine Seuche zu gegenwärtigen
wären und warum und wie die politischen Standortverwalter sich
dem annehmen: schließlich dürfte auch Investigativjournalisten
bekannt sein, dass national und international Kapitalismus
herrscht und deswegen die politischen Betreuer desselben
entsprechend fundamental, eben wegen des Fortgangs des
bürgerlichen Geldregimes sich herausgefordert sehen, wenn
ein Virus die dazugehörigen Usancen des munteren geschäftlichen
Treibens und dafür eingespannten lohnarbeitenden Gewerbes,
nämlich viel Leistung für wenig Geld zum Nutzen der nationalen
Geschäftemacher, durcheinanderzubringen droht. Die
Politikergarden werden nicht als die Gewalthaber kenntlich, die
viel mit ihrer Machtbefugnis in Bezug auf die
Gegensätzlichkeiten kapitalistischer Wirtschaftsweise, die
Härten und Armut wie Elend der eigentumslosen Massen als
Konsequenzen ihrer geschäftseinträglichen Benutzung zu regeln
haben: wie die Autoren teilhaben durften am Innern der
Machtzirkel, an den Abwägungen und Sorgen, Zweifeln und Ängsten
der Mächtigen, bezeugt eher ein intimes Verhältnis der
Journaille zur Politik, als das Vorhaben, mit gebotenem Abstand
das Verhältnis von Pandemie und den bürgerlichen Staat störende
Affizierung ihres Kapitalvermehrungswesens durch dieselbe aufs
Korn zu nehmen. Wer mit „exklusiven Zugang hinter die
Kulissen der Politik“ angibt, begibt sich mit seinen
Deutungen und Kritteleien ganz auf die Ebene der Logik des
politischen Machertums:
Ohne
ein Wort darüber zu verlieren, wofür die höchste Gewalt diese
bei einer Pandemie zum Einsatz bringt, ist da von deren
Eindämmung die Rede und ob die Politik dabei eine gute Figur
macht oder fahrlässigerweise den Erfolg dabei vergeigt:
„Wir
erzählen, wie Deutschland zunächst zum weltweit bewunderten
Beispiel einer erfolgreichen Pandemie-Bekämpfung wurde – um
dann so steil abzustürzen.“
Andererseits
werden all die gesellschaftlichen Zwecke und Kalküle
unterstellt, mit denen man sich nicht näher befassen muss, aber
so (begriffslos) durchscheinen, indem man sich auf eine
angeblich inkonsequente Pandemieeinhegung verlegt:
„Dann
der deutsche Sommer der Sorglosigkeit. Als die
Infektionszahlen so niedrig waren, hätte man sich auf die
unvermeidliche zweite Welle vorbereiten müssen. Dies geschah
nicht gut genug. Das große Selbstbewusstsein Deutschlands, die
Pandemie im Frühjahr so gut bewältigt zu haben, hat ein
entschiedenes – präventives – Handeln erschwert.“
Wenn
die Pandemie in einem Ausmaß zurückgedrängt wird, dass sich der
Staat auf den Standpunkt stellt, wieder mehr nationale und
kapitalistische Geschäftigkeit zulassen zu können, dann könnte
man daran eine bezeichnende staatliche Berechnung in Sachen
Virusausbreitung und Standortaktivitäten ablesen, nämlich wie
der Staat einen bestimmten Stand des Virusbefalls im Volk
einschließlich Todesraten vereinbar erklärt mit der wie auch
immer sukzessiven oder partiellen Wiederaufnahme des
öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens.
"Als
die Infektionszahlen so niedrig waren, hätte man sich auf die
unvermeidliche zweite Welle vorbereiten müssen."
Wieso
sich auf zweite Welle vorbereiten, wenn lt. Staat mit
Niedrigkeit der Infektionszahlen Öffnungen anstünden gemäß o.g.
seuchenpolitischer Logik? Das Widersprüchliche, dass mit
Anfachung der Mobilitäten der Rückfall bei dem Seuchengeschehen
einbegriffen ist, ist für Staaten keine Frage rationalen
Vorgehens, sodass man das mit den Lockerungen eher sein ließe.
Das von den Autoren eingeforderte präventive Handeln gibt es
deswegen allenfalls als Ideal, lauter infektionspolitische
Werkzeuge zum Einsatz zu bringen so, Öffnungen und
Viruskontrolle Hand in Hand gehen zu lassen: Masken, Masken,
Masken und testen, testen und noch mal testen – ohne sich
allerdings sicher zu sein, erneute Hotspots/exponentielles
Infektionswachstum zu begünstigen.