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Katja Gloger, Georg Mascolo

Innenansichten einer Pandemie - Die Corona-Protokolle

Verlag Piper, 2021


„Unsere Gesprächspartner ließen uns in diesem ersten Pandemiejahr teilhaben an ihren Überlegungen, Abwägungen und Sorgen. Und manchmal auch an ihren Zweifeln und Ängsten. Wir sichteten Hunderte Dokumente, vertrauliche Vermerke, Protokolle aus den Krisenstäben, persönliche Mitschriften und Notizen aus den Krisenrunden.“

Wer in dieser Weise sich der Ausbreitung einer Pandemie widmet, ist weit weg von der Klärung dessen, für welche gesellschaftlichen Verhältnisse welche „Schäden“ durch eine Seuche zu gegenwärtigen wären und warum und wie die politischen Standortverwalter sich dem annehmen: schließlich dürfte auch Investigativjournalisten bekannt sein, dass national und international Kapitalismus herrscht und deswegen die politischen Betreuer desselben entsprechend fundamental, eben wegen des Fortgangs des bürgerlichen Geldregimes sich herausgefordert sehen, wenn ein Virus die dazugehörigen Usancen des munteren geschäftlichen Treibens und dafür eingespannten lohnarbeitenden Gewerbes, nämlich viel Leistung für wenig Geld zum Nutzen der nationalen Geschäftemacher, durcheinanderzubringen droht. Die Politikergarden werden nicht als die Gewalthaber kenntlich, die viel mit ihrer Machtbefugnis in Bezug auf die Gegensätzlichkeiten kapitalistischer Wirtschaftsweise, die Härten und Armut wie Elend der eigentumslosen Massen als Konsequenzen ihrer geschäftseinträglichen Benutzung zu regeln haben: wie die Autoren teilhaben durften am Innern der Machtzirkel, an den Abwägungen und Sorgen, Zweifeln und Ängsten der Mächtigen, bezeugt eher ein intimes Verhältnis der Journaille zur Politik, als das Vorhaben, mit gebotenem Abstand das Verhältnis von Pandemie und den bürgerlichen Staat störende Affizierung ihres Kapitalvermehrungswesens durch dieselbe aufs Korn zu nehmen. Wer mit „exklusiven Zugang hinter die Kulissen der Politik“ angibt, begibt sich mit seinen Deutungen und Kritteleien ganz auf die Ebene der Logik des politischen Machertums:

Ohne ein Wort darüber zu verlieren, wofür die höchste Gewalt diese bei einer Pandemie zum Einsatz bringt, ist da von deren Eindämmung die Rede und ob die Politik dabei eine gute Figur macht oder fahrlässigerweise den Erfolg dabei vergeigt:

„Wir erzählen, wie Deutschland zunächst zum weltweit bewunderten Beispiel einer erfolgreichen Pandemie-Bekämpfung wurde – um dann so steil abzustürzen.“

Andererseits werden all die gesellschaftlichen Zwecke und Kalküle unterstellt, mit denen man sich nicht näher befassen muss, aber so (begriffslos) durchscheinen, indem man sich auf eine angeblich inkonsequente Pandemieeinhegung verlegt:

„Dann der deutsche Sommer der Sorglosigkeit. Als die Infektionszahlen so niedrig waren, hätte man sich auf die unvermeidliche zweite Welle vorbereiten müssen. Dies geschah nicht gut genug. Das große Selbstbewusstsein Deutschlands, die Pandemie im Frühjahr so gut bewältigt zu haben, hat ein entschiedenes – präventives – Handeln erschwert.“

Wenn die Pandemie in einem Ausmaß zurückgedrängt wird, dass sich der Staat auf den Standpunkt stellt, wieder mehr nationale und kapitalistische Geschäftigkeit zulassen zu können, dann könnte man daran eine bezeichnende staatliche Berechnung in Sachen Virusausbreitung und Standortaktivitäten ablesen, nämlich wie der Staat einen bestimmten Stand des Virusbefalls im Volk einschließlich Todesraten vereinbar erklärt mit der wie auch immer sukzessiven oder partiellen Wiederaufnahme des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens.

"Als die Infektionszahlen so niedrig waren, hätte man sich auf die unvermeidliche zweite Welle vorbereiten müssen."

Wieso sich auf zweite Welle vorbereiten, wenn lt. Staat mit Niedrigkeit der Infektionszahlen Öffnungen anstünden gemäß o.g. seuchenpolitischer Logik? Das Widersprüchliche, dass mit Anfachung der Mobilitäten der Rückfall bei dem Seuchengeschehen einbegriffen ist, ist für Staaten keine Frage rationalen Vorgehens, sodass man das mit den Lockerungen eher sein ließe. Das von den Autoren eingeforderte präventive Handeln gibt es deswegen allenfalls als Ideal, lauter infektionspolitische Werkzeuge zum Einsatz zu bringen so, Öffnungen und Viruskontrolle Hand in Hand gehen zu lassen: Masken, Masken, Masken und testen, testen und noch mal testen – ohne sich allerdings sicher zu sein, erneute Hotspots/exponentielles Infektionswachstum zu begünstigen.