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B u c h - R e z e n s i o n zu:

 

Norbert Wohlfahrt

Revolution von rechts?

Verlag VSA, 2022

 

Weitgehende bloße Referierung rechter Positionen oder fehlerhafte Kennzeichnung rechten Treibens


Der Großteil des Buches liest sich wie eine Referierung der rechten Ideologien und ihrer Vorbilder, worauf sie sich berufen. Erst weit hinten kommen gelegentlich Urteile über die grausame Abstraktionsleistung von Nationalisten zum Vorschein, die in der so ziemlich totalen Identifikation von sich und der Nation liegt (z.B. S. 99)*).

W. zum Phänomen des rechten Antikapitalismus (S. 11-14)

Gemeinsame ideologische Bezugspunkte der Neuen Rechten seien Antiliberalismus und Antipluralismus (S. 11). Was den Inhalt des Anti vorstellen soll, erhellt sich erst mal nicht. Denn z.B. Antipluralismus für sich hieße zunächst die Kritik der im bürgerlichen Betrieb üblichen Tour, seine Meinung für unmaßgebliche Privatäußerung hinzustellen. Was wäre also der nicht hinnehmbare Inhalt des rechten Antipluralismus? Man könnte es erschließen so, dass die Rechten auf der unbedingten und einzigen Geltung ihrer nationalen Besoffenheit bestehen gegen sonstiges Gedankengut im lt. Rechte „verkommenen“ demokratischen Spektrum (kenntlich an dem Spruch: man müsse doch mal seine Liebe zu Deutschland endlich als ungeschminkten Nationalismus raushängen lassen dürfen)  – diesen Seitenhieb gegen das bürgerliche Toleranzgebot kriegt man bei W. so aber nicht raus.

Im Mittelpunkt rechten Denkens stünde die völkisch definierte Gemeinschaft. Die Zugehörigkeit zu Nation, Staatsbürgerschaft seien an quasi-natürliche Voraussetzungen, also Abstammung, geknüpft (S. 11). Hier wird gar nicht der unmittelbare Widerspruch aufgegriffen, ein durch staatliche Gewalt hergestellten Zusammenhang von übergeordneter Befehlsgewalt und zu gehorchendem Untertanenvolk eine höhere Weihe zu verleihen, einen natürlichen Zusammenhalt von Staat und Bürger zuzuschreiben. Statt dessen versteigt sich W. dazu, ausgerechnet die staatlichen Schnüffel- und Kontrollinstanz Verfassungsschutz als Kronzeugen herzunehmen: Die Rechte betreibe die Verteidigung von „Heimat, Freiheit, Tradition“. Das Zwangskorsett Nation sich als bekömmliche Heimat zurechtzulegen, an der herbeigeredeten Exklusivität dessen, was sich bei Rechten „Kulturnation“ schimpft, daran wird nicht weiter herumgemäkelt, sondern schlicht referiert: „Massenzuwanderung“ und „Islamisierung“ des als Heimat geschönten nationalen Eingehaustseins (S. 12) – wobei die praktische Relevanz der Sortierung nach polit-kulturellen, ideologischen Gesichtspunkten überhaupt nur darüber zum Tragen kommt, dass dies eine Einteilung der Welt nach Herrschaftsgebieten konkurrierender Gewaltmonopolisten unterstellt, die mit der rechtsgewaltigen Ausgrenzung von Fremdländischem die Grundlage für die Rechtfertigungstitel für allerlei Gehässigkeiten gegen fremde Landsleute und Staaten liefern.

Zum Verhältnis der Rechten zum Kapitalismus berichtet W.: Der Staat sei von “eigensüchtigen“ und „eigensinnigen“ gesellschaftlichen Interessen zu befreien (S. 14). Geldvermehrung bewirke Zersetzung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Damit stünde die Neue Rechte in der Tradition der faschistischen Ächtung von zu weit getriebenem wirtschaftlichen Materialismus (S. 14). Es mutet wie ein schlechter Witz an, die Neue Rechte wolle den Kapitalismus überwinden zwecks Wiedergewinnung nationaler Stärke und Autonomie, „neuen Gemeinwohls“ i. S. „echten zwischenmenschlichen Miteinander“ (ebd.). Dies ist der Blödsinn, angesichts dessen, dass der bürgerliche Staat gerade die kapitalistischen Bereicherungsinteressen als materielle Grundlage seiner Politmacherei freisetzt, dass die Rechte den Kapitalismus gänzlich unökonomisch so einordnet, dass das „zwischenmenschliche Miteinander“ gefördert werde: die Geldinteressen als keineswegs von den Rechten zu tilgende wirtschaftliche Basis ihrer Heimat sollen sich als diese zugleich zurücknehmen sollen, um ein „neues Gemeinwohl“ zu konstituieren.

W. zu Flucht und Migration (S. 105/106)

Die Rechten würden behaupten, dass Migration zur Lohnsenkung ausgenutzt werde, weshalb Abwehr von Migration nötig sei.

W. kritisiert gar nicht den immanenten Fehler, dass letztlich die Migranten dafür verantwortlich seien, dass die Einheimischen mit Arbeitsplatzverlust und Lohnsenkung konfrontiert seien: das Kapital ist das Subjekt davon, überzählige Lohnarbeiter als Hebel für Lohndrückerei einzusetzen.

Statt dessen geht W. dieser Kritik aus dem Weg und meint, lang und breit über „industrielle Reservearmee“, „Überbevölkerung“ im Kapitalismus im Marxschen Sinne zu lamentieren.

W. zum Umgang der Neuen Rechten mit Marx (S. 123 f.)

 W. zitiert den rechten Protagonisten Benoist:

 „...stellte Marx fest, dass die moderne Gesellschaft Individuen produziert hat, die von jeder dauerhaften Bindung ‚frei‘ sind, ja dass sie sich aus isolierten Individuen zusammensetzt, die zunehmend voneinander getrennte Leben führen und nur noch durch den Warenaustausch miteinander verbunden sind.“ (W., S. 124)

Mal abgesehen von der Verdoppelung, dass die Leute isoliert seien und als solche getrennte Leben führen würden (was das Gleiche ist), tilgt der rechte Marx-Kenner aus den „sozialen Beziehungen“ im Kapitalismus erst jeden bestimmten ökonomischen Inhalt, herrührend aus letzterem. Dann erinnert er sich, dass es doch um sowas Ökonomisches wie „Warenaustausch“ geht, der das Absurde vollbringen soll, die völlig unökonomisch gefassten Verhältnisse „isolierter Individuen“ irgendwie zu vermitteln.

Diesem Unsinn stellt sich W. gar nicht erst, sondern setzt dem eine falsche Marxsche Interpretation des Warenfetisch entgegen, dass „Geldzettel“ Macht über die Leute ausüben würden. Wie soll das denn gehen: es ist von Marx als Analogie zu den Naturreligionen gemeint, doch nicht i.S. einer faktischen Beherrschung der ökonomischen Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft durchs Geld mit Quasi-Eigenleben. Es ist mit Warenfetisch die Verrücktheit angesprochen, dass die Mitglieder der kapitalistischen Gesellschaft sich sachzwanghaft auf deren ökonomische Einrichtungen beziehen, die getrennt von den Leuten im Geld vorliegenden Notwendigkeiten vollstrecken, als Eigentumslose dem Verdienen von Geld als vorgegebener Zwang nachgehen und als Kapitaleigner die unablässige Geldvermehrung unter Einsatz billiger und freier Lohnarbeiter als Zwangsgesetz der Konkurrenz sich angelegen sein lassen. Lohnarbeiter vollziehen für sie ungemütliche ökonomische Verhältnisse als die Weise ihrer Existenzbesorgung; sie nehmen als Grundlage ihrer willentlichen Betätigung unabhängig von ihnen vorliegende Bedingungen, die im Falle der Kapitalisten Mittel der Bereicherung sind, eine Sorte beständiger Lebenskampf gegen die allgegenwärtige Konkurrenz mit dem im Gegensatz zur Lohnarbeit, auf deren Kosten verfolgten geldlichen Nutzen. Damit sind Lohnarbeiter wie Kapitalisten nicht einfach „passive“ Agenten des kapitalistischen Wirtschaftszirkus: über die Entsprechung der mit diesem in die Welt kommenden Anforderungen (im zeitgenössischen Kapitalismus schlicht darüber, dass die bürgerliche Gewalt mit der Dekretierung gesetzlicher Zahlungsmittel gleich eine ganze Produktionsweise, eben Geld-/Kapitalwirtschaft, begründet) reproduzieren sie Verhältnisse, in Bezug auf denen sie sich gänzlich freimachen von jeder Rechenschaft darüber, was sie mit der Einlassung auf Geld/Kapital veranstalten, dem reellen sachlichen Gehalt nach jedenfalls, legen sich lauter falsches Zeug über ihr ökonomisches Treiben zurecht.

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*)„... Es sind von einem quasi-militärischen Gemeinschaftsgefühl berauschte, von materiellen Zwecksetzungen befreite(!) Nationalisten, ganz... für Volk und Vaterland aufgehende Fanatiker einer durch die Staatsgewalt verbürgten Identität...“ (N. Wohlfahrt, S. 99)
- wo dann noch die Absurdität kenntlich gemacht wird, was an der Ineinssetzung mit dem nationalen Kollektiv so bekömmlich sei: dann steht da was von nichts als  t a u t o l o g i s c h e n  Scheinbegründungen gemäß dem Unsinn: als Deutschland(!) sei das zu verehren, in dem Deutsche(!) beheimatet seien.