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H. W. Sinn

Die wundersame Geldvermehrung: Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation

Verlag Herder, 2021

 

Wem die „Sorge um den Geldwert und die Stabilität unseres Finanzsystem“ umtreibt, der outet sich als Geldliebhaber, betreibt den Nonsens einer parteilichen Wissenschaft – als Professor der Wirtschaftswissenschaften ist das dieser Stellung bereits einbeschriebener Berufsethos, seinem Brötchengeber mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, den Warner herzumachen, Geld und Finanzen nicht den Bach runtergehen zu lassen durch „risikoreiche“ Wirtschafterei mit/in denselben: „Bringschuld der Ökonomen gegenüber der Gesellschaft“. Es ist das gerade Gegenteil zur Befassung damit, was Geld und eine damit bestückte gleich weltweite Wirtschaftsweise der Sache nach leistet.

Sinn lässt die Hybris erkennen, die von ihm gescholtene ökonomische Politik der Damen und Herren Staatsvertreter käme daher, dass diese die „ökonomischen Zusammenhänge nicht einmal ansatzweise verstehen“ würden. Dies würde eine „übergriffige“, sogar „demokratisch nicht legitimierte“ Politik Tür und Tor öffnen – wo er zugleich konzediert, dass die EU-Verträge wohl für sich in Ordnung gingen, denen allerdings das Gebaren der EZB nicht folgen würde. Es ist das Unterfangen, der praktischen öffentlichen Geld- und Kreditpolitik nicht die immanenten Absichten zu entnehmen, sondern einen Verstoß gegen eherne Lehrsätze der nationalökonomischen Wissenschaft oder gegen wohlwollende Interpretationen von geld-/wirtschaftspolitischen Leitsätzen dingfest zu machen. Wobei der Herr Professor sich mit seinem geballten Expertenverstand durchaus der Fundgrube dessen bedient, was in der ökonomischen Räson kapitalistischer Staaten selbst angelegt ist: wer auch noch eine „die Wirtschaft bedrohende Energiepolitik“ ausmacht, der weiß einerseits, wie es immerzu auf lohnendes Kapitalwachstum ankommt, will aber in der Hinsicht nicht darin einstimmen, dass die Umstellung auf eine andere Energiegewinnung den Erfolg zeitigen würde, den das fossile Zeitalter über Jahrzehnte eingebracht habe, aber nun zuschanden würde im Zuge einer Energiesystemwende – wo dann nicht weiter interessiert, was die Politik alles an Förderung unternimmt, um die Grundlagen für eine unschlagbare Kapitalproduktivität deutscher Wirtschaft zwecks Eroberung der Weltmärkte für „grüne“ Technologien und Produkte zu renovieren.

Am Kreditgeschachere zwischen Staat, Banken und Notenbanken wird für Sinn nicht etwa offenbar, wie sich von aktuellen Geldzuflüssen emanzipiert wird, um gleichwohl die ökonomische Macht des schnöden Mammons sich entfalten zu lassen: Kredit als Antreiber der Akkumulation von Gelderträgen in der Geschäftswelt. Natürlich greift hierbei immerzu Spekulatives Platz, inwieweit sich die Kreditmassen geschäftsmäßig irgendwie rechtfertigen. Wenn der Ökonom von „positiven Multiplikatoreffekten“ redet, so das geliehene Geld auch nur den Absatz befördert, dann wird zwar ein Anhalt geliefert, wie die allseitige Kreditierung Usus ist. Der Wirtschaftsexperte klammert sich an eine eingebildete Gesetzmäßigkeit, dass die schöne „Geldverteilung“ per Kredit nicht zu weit über das hinausgehen dürfte, was als Gegenwert tatsächlich produziert würde. Das mit der Geldverteilung – „Manna scheint vom Himmel zu regnen“ - , Kredit als illusionäre Erleichterung für den Zugang zu den Gütern der Welt, ist schon haarsträubend: Kredit an Unternehmen ist der Auftrag, der ökonomische Zwang, damit so zu wirtschaften, dass in der allseitigen Konkurrenz Ihresgleichen nicht nur eine ordentliche Rendite rauskommt, sondern auch Tilgung und Zinsabführung an den Gläubiger bei Strafe des geschäftlichen Untergangs gelingen – was nicht weniger ebenso bei gegen Null tendierenden Zinsen gilt. Für den normalen Privatkonsumenten bedeutet Kredit, sich jetzt was erlauben zu können um den Preis künftigen Verzichts, wenn nämlich die Schuld aus ärmlichen Einkommen zinsträchtig zu bedienen ist. Für Unternehmen ist also Kredit Mittel der Vermehrung ihres Kapitalvermögens, wenn wegen der Konkurrenz zu anderen auch nicht gesichert; Kredit bei Ottonormalverbraucher ist aus purer Not geboren, wenn das laufende Einkommen hinten und vorne nicht hinreicht – was sich der Kreditgeber entsprechend durch normalerweise fürstliche Verzinsung und Pfändungsrechte am kleinen Eigentum vergolden lässt (bzw. im Falle der Errungenschaft der privaten Insolvenz die Abhängigkeit davon, was Gläubiger in Sachen Schuldenabtrag konzedieren, i.d.R. Festlegung auf Pauperismus im Zuge jahrelanger Verpflichtung zu portionsweiser Schuldenrückzahlung so, dass sowas wie ein Existenzminimum oder darum herum verbleibt); die Bedrohung gleich der persönlichen Existenz wegen Zahlungsunfähigkeit gilt für Kreditaufnahme aus schlichtem Geldmangel heraus auch bei „in den Keller rauschenden Zinsen“ – von wegen Regnen des Manna vom Himmel!

Die Warnung an die Geld-/Wirtschaftspolitiker auf ihr Geld und dessen Werthaltigkeit acht zu geben, ist erstens aus der unbedingten Befürwortung geboren, dass das Geld, das die meisten Eigentumslosen von Gegenständen des Bedarfs erst mal trennt, diese gezwungen sind, sich in die Dienste derer zu begeben, für die Geld Mittel des Geschäfts ist, das sie mit viel Überarbeit und Lohnknappheit aus ihren Dienstkräften herauswirtschaften, und das Produzieren und Handeln in es die einzig seligmachende Weise gesellschaftlicher Reproduktion wären. Zweitens wird das, was als Defizit an der Geldmacherei bestimmt wird, die Inflation, verkehrt festgehalten, nämlich gemäß dem naiven Bild des bürgerlichen Ökonomen von einem Geldüberhang über das „Sozialprodukt“. Geld als „Verfügungsrecht über Teile des Sozialprodukts“, sozusagen als Diener am Zugriff auf die Güter der Welt, ist die Verharmlosung der mit dem Geld einhergehenden andere ausschließende privatkapitalistischen Verfügung über den Reichtum der Gesellschaft, des Moments der Bereicherung gegen andere Geldbesitzer und vor allem der Indienstnahme von allen Reproduktionsmitteln Enteigneten genau dafür. Preissteigerungen, die im obigen falsch vorgestellten Übermaß den Geldwert zu erodieren drohen würden, gehören zum ganz normalen Erscheinungsbild der kapitalistischen Geschäftswelt, sind Vehikel des Gewinnemachens; flächendeckende Preissteigerungswellen mögen bloß nominelles Kapitalwachstum indizieren: für das bürgerliche Gemeinwesen kommt es darauf an, inwieweit der Effekt der Geldentwertung überschaubar ist und auch im internationalen Vergleich der Währungen nichts Kritisches zu gegenwärtigen steht hinsichtlich der eigenen.

Wenn dem Sinn der Sinn danach ist, die Verluste durch Inflation für die normalen Einkommensbezieher zu bedauern, während die großen Geldbesitzer sich zur Not in „Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen“ retten könnten, dann könnte einem daran vielleicht auch ein knallharter Gegensatz von Armut und kapitalistischem Reichtum auffallen – aber nicht so der Herr Professor: die beklagte fehlende Sicherheit gegen Inflation für die Normalos stimmt erstens so nicht, weil Durchsetzung von entsprechenden Lohnerhöhungen das Mittel der Wahl wäre, gegen die sich die Wirtschaftsmächtigen natürlich mit neuen Preissteigerungen schadlos halten – sodass hier mal eine Aussage gegen die ausweglose Abhängigkeit der Armen auf kapitalistischer Grundlage fällig wäre; denn die Verarmung der Massen fängt nicht erst mit den Geldwertverlusten an, sodass sie sich noch weniger käuflich leisten können, sondern lässt einen Schluss zu, wie sie als Eigentumslose einseitig den Benutzungsinteressen von Kapitaleignern unterworfen sind: zuvorderst betreffend dem Arbeitseinsatz von Lohnarbeitern für Geldüberschuss ihrer Dienstherren, um überhaupt in den Genuss eines Geldes/Lohns zum Überleben gelangen zu können; und als Versilberer des Profits samt Reproduktion des Unternehmenskapital sind die Abhängigen in ihrer Eigenschaft als Konsumenten auch noch verplant.

Vor lauter Warnungen vor einem Übermaß an Rettungsmanövern in Bezug auf in Verruf gekommene Staatsschulden und der Entwarnung, dass maßvoller Herauskauf aus schlechten Schuldenstand gerechtfertigt sei, lässt diese parteiliche Stellung fortgesetzt erkennen, dass dem Herrn Professor wenig bis gar nicht daran gelegen ist, zu klären, welche Absurditäten die „Vermeidung“ von „Finanzkrisen und Staatskonkursen“ seitens der hoheitlichen Geld- und Kreditinstanzen offenbart. Dem Sinn ist sowas von selbstverständlich, wie Nationen mit ihrer Kreditbeschaffung ihre Kapitalstandorte in Konkurrenz zueinander so bewirtschaften, dass man gegen die jeweils anderen die nationalökonomischen Siege einfahren möge. Nur kennt die europäische und internationale Konkurrenzwirtschaft nicht nur Gewinner, sondern gleichwohl einiges an Verlierern. Letztere können das Pech haben, dass das global agierende Finanzkapital ihnen das Misstrauen ausspricht, ihre ‚Schuldentragfähigkeit‘ negativ bescheidet bis hin zum Hineinhieven in den Staatsbankrott. Wenn der Wirtschaftsfachmann von gerechtfertigten Rettungsaktionen zur Sicherung oder Wiederherstellung der Solvenz eigentlich insolventer Kandidaten, zur Verhinderung von „Kettenreaktionen“ gleich über ganze Bankensysteme und Staaten in Sachen Zahlungsunfähigkeit und damit eines regelrechten „Finanzcrash“ redet, will nicht der Widersinn auffallen, wie die marktwirtschaftlichen Akteure mit Unmengen von Geld und Kredit derart erfolgstüchtig hantieren, dass deren weitere lohnende Verwendung signifikant ins Stocken gerät, insbesondere die Kreditgeber die Kreditwürdigkeit der Schuldner in Zweifel ziehen bis zum Hineintreiben in die Pleite – und dann soll ausgerechnet ein Mehr an neuen (Rettungs-)Kredit oder „Liquidität“, dessen Bewirtschaftung darin eben noch den krisenhaften Verlauf samt Hinzutun dazu durch die „Kräfte der internationalen Spekulation“ gezeitigt hat, den Ausgangspunkt dafür wiederherstellen, dass es mit den Aufs und Abs der Geldbereicherei erneut seinen Gang geht. Mit welcher Rigidität die bürgerlichen Staaten neuen Kredit aus dem Boden stampfen, um die Leistung des Geldes weiter zu gewährleisten, die entscheidenden Geldinstanzen, in den Sog von Finanzkrisen/Insolvenzen geratene nationale Bankenwesen zu sichern bei aller eigentlich eingetretenen angegriffenen finanzkapitalistischen Haltbarkeit derselben, also die kapitalistischen Hoheiten nichts auf ihre Bereicherungsregimes, die Verbürgung von Millionen eigentumsloser Lohnarbeiter zu deren materiellen Schaden in letzter Instanz dafür kommen lassen, ist für einen Parteigänger der bürgerlichen Nationalökonomie erwartungsgemäß nicht im Entferntesten der Rede wert. Eher entpuppt der sich noch als Scharfmacher des Krisenaktivismus seines staatlichen Dienstherrn und anderer maßgeblicher Geld-/Krediteinrichtungen: bei aller Anerkennung „vorübergehender Liquiditätsengpässe“ – eine „echte Insolvenz aufgrund eines falschen Geschäftsmodells“ müsse durchgezogen werden. Bezogen auf ganze Länder hieße das jawohl, den flächendeckenden Ruin der nationalen Ressourcen samt vor allem des Volkes in Kauf zu nehmen. Am Beispiel von Griechenland kann man studieren, dass die Abwendung des Staatsbankrotts mittels der zahlreichen Kredittranchen den von der EU abverlangten harten Preis hatte: ein einziges Abwrackprogramm für die griechische Wirtschaft und den öffentlichen Sektor zu Lasten sonst nützlicher Standortaufwendungen, nun vielfach als unnütz eingestufte Kosten für die nationale Wirtschaft, und einziges Verelendungsprogramm für die Bevölkerung als ‚Signale‘ dafür, wie die EU-Oberen die Gunsterweise durchs weltweite Finanzgewerbe verdienten, für die Solidität des EU-Kredits insgesamt.