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R e z e n s i o n  z u:


S. Pühringer, K. M. Beyer, D. Kronberger

Studie der Otto Brenner Stiftung:

Soziale Rhetorik, neoliberale Praxis
- Eine Analyse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD -

2021



Angesichts bedenklicher Vergleiche im Rahmen der Studie kann man sich folgende Fragen vorlegen:

Wieso soll die Hofierung von Marktwirtschaft und Wettbewerb von den Rechten gepachtet sein? Die Etablierten haben beides längst zur zentralen ökonomischen und nationalen Räson erklärt. Auch die aktuell Herrschenden schwören schwer auf die „Selbstregulierungskräfte der Märkte“. Alles und jedes sollen Geld und Markt nach Möglichkeit regeln: selbst das, was früher mal öffentliche Daseinsfürsorge hieß, haben sie per Privatisierung dem Markt und der Geldverdienerei überantwortet. Der Markt wird von Ökologen schon länger, und aktuell in einer Ampel-Koalition vertreten, als entscheidendes Instrument der klimapolitischen Transformation, als neues Geschäftsfeld für grüne Technologien gutgeheißen, nachdem das Kapital nach Jahrzehnten der profitablen Nutzung des Fossilen mit staatlicher Genehmigung Klima und Umwelt gründlich ruiniert haben. Die Freiheit der Geschäftemacherei wird bei CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne ganz groß geschrieben, weil die nicht zuletzt die staatlichen Machtgrundlagen unterfüttern. Was nicht auf eine Identität von Staats- und Kapitalinteresse hinausläuft: die Regulierungen, die sich der Staat des Establishment angelegen sein lässt, sind der Sicht auf das Insgesamt kapitalistischen Wirtschaftens geschuldet, dass es auch der einen oder anderen Beschränkung bedürfte, damit der nationale Kapitalismus flott seinen Gang geht. – Was den Unterschied zu den Rechten ausmacht, ist deren bornierter Nationalismus: auf den Euro als schlagkräftiges Gemeinschaftsgeld auf dem Weg zur ökonomischen Weltmacht lassen die Etablierten jedenfalls nichts kommen.

Auch in Bezug auf die schönen Sozialleistungen muss man sich fragen, was da der großartige Unterschied zu den Etablierten sein soll: war nicht der großangelegte Umbau des Sozialstaats einst als entscheidende Stellschraube ausgerufen worden, den „kranken Mann in Europa“ (Deutschland) wieder zu neuer Blüte zu verhelfen? Großangelegte Angriffe auf die Überlebensmittel von Millionen Erwerbslosen(Hartz IV!) und das Programm der Niedriglöhne, neue Freiheiten der Unternehmer zur flexiblen und billigen Benutzung von Lohnabhängigen haben für den Staat der Christsozialen, Sozialdemokraten, Freidemokraten den Weg gewiesen, den kapitalistischen Standort made in Germany zur überlegenen Konkurrenzmacht in Europa zu machen. – Selbst dort, wo sich die Herrschenden mal herbeilassen zu sozialen Zuwendungen, sollte einem der Zynismus dessen auffallen: erst zulassen, wie die Leute massenhaft verarmen und verelenden und hin und wieder einen Cent springen lassen, damit man in bleibend ärmlichen und elenden Verhältnissen sich überhaupt einzurichten in der Lage ist. In der Ideologie taucht dagegen Soziales als einzige Hilfeleistung in der Not der Leute auf, wo dann nicht weiter Gegenstand der Kritik ist, wie der Staat selber mit seiner privateigentümerlichen Wirtschaftsordnung dafür sorgt, dass Armut und Elend nicht ausgehen, eher systemisch in Markwirtschaft und Demokratie angelegt sind.

Den Rechten nimmt man nicht ab, dass man zugleich für Neoliberalismus und Arbeiterinteressen eintreten könne. Aber soll es die Etalierten als Arbeiterfreunde ausweisen, wenn die ihren Lieblingsbürgern von der Kapitalfraktion die Leute als billiges und williges Ausbeutungsmaterial offerieren unter solch schönklingenden Attributen wie Integration in den Arbeitsmarkt: die ganzen schönen Sozialstaatsreformen seit Schröder bis heute leben davon, die Leute als einziges Hindernis für die Geschäftemachereien des Kapitals zu beschimpfen und entsprechend zu verpflichten, alles zu tun, um von öffentlichen Überlebensgeldern unabhängig zu werden.

Im Übrigen: was mit der Studie an großartigen neuen Erkenntnissen über die Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD ausgewalzt wird, ist längst in dicken Büchern erschienen, so das Buch von Becker, Eberhardt, Kellerssohn – "Zwischen Neoliberalismus und völkischem Antikapitalismus" – 2019, taucht aber in der Literaturliste der Studie gar nicht auf; allerdings hat man hier was Gemeinsames: nämlich die Verharmlosung der herrschenden Politik im Angesicht rechtsradikaler Umtriebe.