B u c h - R e z e n s i o n z u:
Thomas
Piketty
Kapital und Ideologie, 2020
Eines vorweg: der große Wirtschaftswissenschaftler der Neuzeit gibt den Kapitalismuskritiker ab, ohne einen Schimmer davon auszubreiten, was die kapitalistische Wirtschaftsweise mit allen ihren Gegensätzen und ökonomischen Verheerungen ausmacht. Dessen explizit wirtschaftsethische Sicht legt den Gewaltsamkeiten des Kapitalismus und deren beständiges Resultat von Akkumulation geldlichen Reichtums und deswegen grassierender Lohnarbeiterarmut lauter Attribute als deren Kennzeichen bei, die nichts als der ideologische Reflex darauf sind – Ungleichheit, ungerechte Verteilung. Mit solcher Stellung kann man alle Wesensmerkmale der bürgerlichen Klassengesellschaft unangetastet lassen und im Namen von wirtschaftsmoralischen Zuweisungen ein Plädoyer für einen „partizipativen Sozialismus“ abgeben.
Sich daran störend, wie privater Besitz so einseitig verteilt sei, stellt der große Ökonom Überlegungen an, wie sich Besitz auch „anders darstellen“ ließe: Neben öffentlichen Besitz zeigen insbesondere die folgenden Alternativen von Besitzverhältnissen das Absurde eines reformierten Kapitalismus i.S. von P.:
Gesellschaftlicher Besitz sei, wenn sich Beschäftigte an Unternehmensführung beteiligten und damit die private Unternehmensmacht geteilt werde oder sogar ganz abgelöst werde. – Also: unter Beibehaltung der Form der Reichtumsproduktion als von den Produzenten von denen getrennt erschaffener Reichtum mutieren die Lohnabhängigen zu Mit-Kapitaleigentümern oder gehen sogar ganz im Kapitaleigentum auf; sie wären sozusagen in der Stellung als nach wie vor Ausgebeutete zugleich Funktionäre, Betreiber des Ausbeutungsgeschäfts: der irriger Widersinn eines Arbeiters und Kapitalisten in einem.
Eigentum auf Zeit: die Reichsten übertragen jedes Jahr einen Teil ihres Besitzes auf die Allgemeinheit, damit das Vermögen zirkuliere und die Konzentration des Eigentums und der wirtschaftlichen Macht abnehme.
Dass, wer eine ungemütliche Produktionsweise als Verteilungsfrage fasst, die polit-ökonomischen ‚Koordinaten‘ derselben nicht eine Bohne interessieren, bestätigt sich mit diesem Modell von Eigentumsordnung: die Produktion einer Sorte Reichtum, die systematisch auf Kosten der materiellen Lage der diesen Schaffenden geht, bestehen lassen, aber die Früchte der Ausbeutung sollen die Ausbeuter mit den Ausgebeuteten irgendwie teilen; also der Unfug, die „wirtschaftliche Macht“ erst von den Lohnarbeitern sich erarbeiten lassen und dann als Unternehmer dadurch relativieren, dass man sie „jedes Jahr“ teilweise wieder abgäbe.