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Christoph Butterwegge

Krise und Zukunft des Sozialstaates

Ausgabe 2018


Diese und andere Veröffentlichungen von C. Butterwegge sind das Gegenteil von unvoreingenommener Analyse des Sozialen m Kapitalismus, geradewegs im Unterschied zu Dillmann/Nasserie-Der soziale Staat-2018.

Nicht nur dieses umfängliche Buch in Neuauflage von Prof. Butterwege will nämlich nichts davon wissen, wie der soziale Staat für nichts anderes gut ist, als die von ihm und seinem nationalen Kapital verordnete Armut der Lohnarbeitermassen irgendwie aushaltbar zu machen für letztere, wobei die Skala nach unten hin weit offen ist, was der Staat den Leuten an materiellen Drangsalen zumutet, wie er es drauf ankommen lässt, was sie sich dabei gefallen lassen. Um funktionale Armut, eben für die Fortführung der Profitwirtschaft geht es, statt mit dem Lohnarbeitssystem auch die Gründe für Armut und Elend zu beseitigen.Stattdessen lauscht der Autor dem staatlichen Armutsbetreuungswesen einen besseren  D i e n s t  für die Geschundenen der Kapitalwirtschaft ab und vertritt damit als Antipode zum Klassenkampf eine reaktionäre Variante der Versöhnung der bleibend ausgebeuteten Massen mit den bürgerlichen Benutzungsverhältnissen durch (bessere) Sozialleistungen, die nach B. ihren Namen verdienen.

Insofern kann man durchaus eine Analogie zur Staatsverwaltung der Lohnabhängigen ziehen: deren reeller Inhalt von Dienstbarkeit für die abhängige Klasse fasst sich darin zusammen, diese als nützliches Ausbeutungsmaterial für die herrschenden Klasse zu pflegen. Aus der Butterweggerischen sozialpolitischen Überhöhung dieses Staatsprogramms wird so garantiert kein Einspruch gegen den bürgerlichen Laden. Im Gegenteil:
der bürgerliche Staat lässt sich sogar an der einen oder anderen Stelle von seiner bezahlten Wissenschaftlergarde den einen oder anderen Ratschlag einleuchten, an welchen Stellschrauben das sozialpolitische Betreuungswesen eine ‚Optimierung‘ erfahren könnte – sodass sogar wer weiß wie kritische Sozialwissenschaft für die Dienerschaft am Staat und der bürgerlichen ausbeuterischen Produktionsweise gut zu gebrauchen ist.

Butterwegge tut in seinen Konvoluten so, als wisse er um die entscheidende kapitalistische Räson, dass und wie es beim bürgerlichen Wirtschaften um Mehrwertproduktion, also Erarbeitung überschüssigen Geldreichtums fürs Kapital durch die Arbeiterschaft, ankomme. Statt den Schluss zu ziehen, dass dann jawohl die bürgerliche Hoheit nichts als der Garant der dazugehörigen Ordnung (Privateigentumsordnung) sein kann, dass die Sorten der staatlichen Betreuung des Ausbeutungsmaterials (der Aktiven in Form von Arbeitsrecht, der Erwerbslosen in Form von Sozialrecht und aller in Form eines Gesundheitswesens) im Allgemeinen auf die Verpflichtung der Lohnabhängigen auf den Dienst an der Profitwirtschaft zielen, verfabelt der Freund der Armen und Geschundenen des Kapitalstandorts daraus eine Fürsorgepflicht des Staates für dieselben, die sich eigentlich mit der polit-ökonomischen Räson des Kapitalismus nicht verträgt.

Diesen Fehler kann man über 400 Seiten Konvolute und mehr auswalzen, die von nichts
anderem leben als von einem verkehrten Vergleich der reellen sozialstaatlichen Fortschritte mit dem, was nach Eingebung des Sozialstaatsidealisten für gute Werke für die Abhängigen stattdessen anstünde. Es geht aber auch so, dass angesichts angestandener sozialpolitischer Veränderungen/Verschlechterungen auf das bisherige Betreuungsniveau oder Betreuungsweise bestanden wird, also der soziale Konservatismus, der schlicht auf gelaufene Sozialmaßnahmen aus anderen staatlichen Berechnungen heraus abhebt, als Fortschritt ausgerufen wird. Aber Armutsverhinderung oder –minderung ist nie und nimmer im Programm einer Instanz, die einer Produktionsweise vorsteht, die auf Verarmung gründet. Diese Art sozialer Umsorgung zeitigt auch gehässige Blüten, wo es Schnittmengen mit den staatlichen Berechnungen gibt: nicht Armut und Elend für sich sind dann kritikabel, sondern unter Titeln wie „soziale Spaltung“, „Kluft zwischen Arm und Reich“, „sozialer Zusammenhalt“ interessieren diese einzig unter dem Gesichtspunkt, ob die Massen noch zuverlässig zu dem System halten, dass ihnen nichts als materielle Miseren verschafft.


Als alternativer Lesetipp sei genannt:
R. Dillmann et al., Der soziale Staat, VSA-Verlag